Innerfamiliale Arbeitsteilung als Prozess
Die Zielsetzung des Projekts bestand darin, die Verteilung der Hausarbeit in Paarbeziehungen auf Basis vorhandener Längsschnittdatensätze als Prozess zu analysieren, und dabei die Möglichkeiten und Grenzen zu identifizieren.
Gegenstand der Untersuchung
Inhaltlich standen die Veränderungen der Arbeitsteilung auf Paarebene im Zeitverlauf sowie die zeitbezogenen Ursache-Wirkungs-Mechanismen dieser Wandlungsprozesse im Mittelpunkt des Untersuchungsinteresses. Eine qualitative Pilotstudie zur Arbeitsteilung beim Übergang zur Elternschaft ergänzte diese quantitativen Untersuchungen. Als kooptiertes Begleitprojekt war die Studie in den Bereich "Alltagsgestaltung und Arbeitsteilung" des DFG-Schwerpunktprogramms 1161 "Beziehungs- und Familienentwicklung" integriert.
Die Ziele des Projekts sind
- die Beschreibung der Veränderung innerfamilialer Arbeitsteilung (Umfang und Segregation der Tätigkeiten) in der Beziehungs- und Familienentwicklung im Längsschnitt;
- die dynamische Untersuchung und Weiterentwicklung von Theorien und Mechanismen zur Erklärung der Verlaufsmuster innerfamilialer Arbeitsteilung in der Beziehungs- und Familienbiographie;
- die Beschreibung und Analyse der innerfamilialen Arbeitsteilung bei Paaren mit unterschiedlichen Ressourcenkombinationen; die Reanalyse vorhandener, quantitativer Längsschnittdatensätze (SOEP, Bamberger-Ehepaar-Panel, Bamberger-NEL-Panel) hinsichtlich inhaltlicher und methodischer Grenzen bei der Analyse der innerfamilialen Arbeitsteilung;
- die Durchführung einer explorativen, qualitativen Pilotstudie zur Erfassung der Dynamik von Entscheidungsprozessen über die Arbeitsteilung bei (Ehe-)Paaren mit ausgewählten Ressourcenkombinationen;
- sowie die Entwicklung neuer, theoriegeleiteter quantitativer und qualitativer Längsschnitterhebungsinstrumente zur Untersuchung der innerfamilialen Arbeitsteilung im Rahmen des Testpanelprojekts des DFG-Schwerpunktprogramms 1161.
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
- Die ökonomischen Theorien, z. B. die ökonomische Theorie der Familie und die Verhandlungstheorien, sind für die Erklärung der Dynamik der Arbeitsteilung bei der Hausarbeit wenig hilfreich. Keine der von diesen Theorien als wichtig erachteten Ressourcen (wie Humankapitalinvestitionen, Erwerbsbeteiligung oder Einkommen) und deren Veränderungen über die Zeit hatten in unseren Analysen einen nennenswerten Einfluss auf den Wandel arbeitsteiliger Arrangements. Vielmehr scheinen andere Einflussgrößen wie z.B. familiale Leitbilder, geschlechtsspezifische Normen und Rollen den Prozess der Arbeitsteilung stark zu beeinflussen (und zwar sowohl im Hinblick auf die Hausarbeit, als auch auf die Erwerbsarbeit).
- Zu Beginn der Ehe praktizieren über die Hälfte der Ehepaare des Bamberger Ehepaar-Panels eine eher partnerschaftliche Arbeitsteilung. Im Laufe der Zeit verschieben sich diese Arrangements jedoch systematisch in Richtung einer traditionellen Arbeitsteilung: Nach 14 Ehejahren ist die Hausarbeit bei 85 % der Paare traditionell verteilt, und zwar unabhängig von den relativen Ressourcenkonstellationen der Partner.
- Unsere Untersuchungen zeigen durchweg, dass die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung der Arbeitsteilung – egal in welche Richtung – mit zunehmender Ehe- oder Beziehungsdauer immer geringer wird. Nach unseren Auswertungen haben offenbar Trägheitseffekte, d. h. Prozesse der Gewöhnung an bestimmte Arrangements, eine große Bedeutung für den Wandel der Arbeitsteilung im Haushalt.
- Nach der Geburt eines Kindes übernehmen Frauen tendenziell größere Anteile der Hausarbeit, während Männer ihren Beitrag stark reduzieren. Der Übergang zur Elternschaft bremst damit Entwicklungen in Richtung einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung bzw. kehrt diese bei vielen Paaren um und verstärkt den oft latent wirkenden Prozess der Gewöhnung an traditionelle arbeitsteilige Strukturen.
Die in unserem Projekt erzielten Forschungsergebnisse leisten einen wichtigen Beitrag für die aktuelle Forschung zur Verteilung der Hausarbeit in Paarbeziehungen, denn unsere Befunde können als deutliches Plädoyer für eine Prozessperspektive innerfamilialer Arbeitsteilung angesehen werden. Die theoriegeleitete Analyse von Verlaufsmustern sollte in Zukunft verstärkt im Mittelpunkt der Forschung zur Aufteilung der Hausarbeit stehen. Insbesondere die Befunde zur Geschlechtsspezifität arbeitsteiliger Arrangements, die einer relativ hohen Trägheit unterliegen, bedürfen weiterer Erklärung.
Beitrag zum DFG-Schwerpunktprogramm 1161
Zusätzlich zu den Projektzielen im engeren Sinn, wurde mit der Entwicklung innovativer Instrumente zur Erfassung der häuslichen Arbeitsteilung einen wesentlichen Beitrag zum Testpanelprojekt (PAIRFAM-Minipanel) geleistet. In Auseinandersetzung mit aktuellen Studien zur Messung der Arbeitsteilung im Haushalt wurden ein Zeitverwendungstagebuch und ein Zeitschätzungsinstrument entwickelt, die beide in der ersten bzw. der ersten und dritten Welle des Testpanels zum Einsatz kamen. Das Tagebuch folgt dabei international gebräuchlichen Standards im Bereich der Zeitbudgetforschung (z. B. der Multinational Time Use Study). Das Zeitschätzungsinstrument orientiert sich an der im SOEP gewählten Herangehensweise, bietet jedoch zusätzlich die Möglichkeit die Zeitverwendung in Minuten zu erfassen und stellt deshalb eine wesentliche Verbesserung gegenüber der lediglich stundenbezogenen Zeitbudgeterhebung im Rahmen des SOEP dar. Insgesamt wurden sowohl die Tagebücher, als auch das Zeitschätzungsinstrument in der Vorstudie zum Beziehungs- und Familienentwicklungs-Panel erfolgreich eingesetzt. Beide Instrumente haben sich in der Praxis als brauchbar und praktikabel erwiesen.
Die ifb-Zeitverwendungsstudie
Die Erhebungsinstrumente wurden auch im Rahmen mehrerer Lehrveranstaltungen an der Universität Bamberg ausführlich unter methodischen Gesichtspunkten getestet und ein eigener Datensatz erhoben, der mittlerweile rund 300 Paare umfasst. Auch diese Erhebungen bestätigten die sehr gute Feldtauglichkeit der Instrumente.
Mit den durchgeführten Methodenstudien zum Verhältnis von Tagebuch- und Zeitschätzungsdaten wurde ein wichtiger Beitrag zur internationalen empirischen Zeitbudgetforschung geleistet. In Anlehnung an die wenigen internationalen empirischen Untersuchungen zum Verhältnis von Tagebüchern und Zeitschätzungen konnte aufgezeigt werden, dass beide Erhebungsverfahren - entgegen der gängigen Annahme - offenbar nicht beliebig substituierbar sind. Für die Zeitbudgetforschung bedeutet das, dass die Auswahl der "abhängigen Variable" einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse quantitativer Zeitverwendungsanalysen haben kann und daher theoretisch gut reflektiert werden sollte.nach oben