Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Der Alltag erwerbsorientierter Paare nach dem Übergang zur Elternschaft
Ziel ist es, durch die Analyse qualitativer Längsschnittdaten besser verstehen und erklären zu können, wie und warum sich die Arbeitsteilung im Bereich der Hausarbeit im Zuge des Übergangs zur Elternschaft verändert und wie diese Veränderung von beiden Partnern gedeutet wird.
Gegenstand der Untersuchung
In der Diskussion über einen Wandel der Geschlechterrollen steht in jüngster Zeit verstärkt das Rollenbild des Mannes und insbesondere das der Väter im öffentlichen und akademischen Blickfeld. So wird beispielsweise aufgrund der Verbesserungen der Bildungs-, Erwerbs- und Karrierechancen der Frauen seit den 1960er Jahren erwartet, dass sie mit der Zeit zu einem nachhaltigen Abbau traditioneller Geschlechterrollen in der Familie führen. Empirische Studien zeigen zudem, dass sich die Einstellungen in den vergangenen Jahrzehnten auch zugunsten egalitärer Rollenarrangements verschoben haben. Dieses Infragestellen alter Rollenbilder bezieht sich zunehmend auch auf die Väter. Der moderne Vater möchte mehr als nur der Brotverdiener der Familie sein, vielmehr möchten die "neuen Väter" eine engagierte Vaterschaft leben. Diese zeichnet sich aus durch eine stärkere Betonung der Vater-Kind-Beziehung, der Kinderbetreuung und der Hausarbeit, sowie einer höheren Verantwortlichkeit für das Wohlergehen des Kindes. Ergebnisse repräsentativer Umfragen zeigen, dass heute ca. ein Fünftel der Väter solche Einstellungen artikuliert. In der Realität zeigt sich dieser Wandel jedoch nur bedingt; Einstellungen und Verhalten scheinen noch immer weit auseinander zu klaffen.
An dieser Stelle setzt das Projekt an. Ziel ist es, durch die Analyse qualitativer Längsschnittdaten besser verstehen und erklären zu können, wie und warum sich die Arbeitsteilung im Bereich der Hausarbeit im Zuge des Übergangs zur Elternschaft verändert und wie diese Veränderung von beiden Partnern gedeutet wird. Aus quantitativen Untersuchungen ist bekannt, dass die häusliche Arbeitsteilung mit zunehmender Beziehungsdauer immer stärker nach traditionellen geschlechtsspezifischen Mustern erfolgt, und dass gerade der Übergang zur Elternschaft diesen Prozess deutlich intensiviert. Offen ist jedoch bislang, welche Umstände dafür verantwortlich sind, dass selbst qualifizierte, erwerbsorientierte Paare nach der Geburt ihres ersten Kindes dauerhaft traditionelle geschlechtsspezifische Verhaltensmuster wählen. Die Motivations- und Problemlagen von jungen Eltern hinsichtlich der Erwartungen an und der Ausgestaltung von Rollen vor und nach dem Übergang zur Elternschaft werden in diesem Projekt anhand einer innovativen, qualitativen Längsschnittstudie vertieft analysiert.
Dabei orientieren sich die Analysen an den folgenden konkreten Beispielfragen:
- Welche Muster der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden von den Paaren vor der Geburt antizipiert und schließlich praktiziert?
- Wie und warum verändern sich die Anforderungen an die Hausarbeit und die Verteilung der Aufgaben nach der Geburt des ersten Kindes?
- Wie können die Erwartungen bezüglich der Arbeitsteilung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Paaren vor dem Hintergrund ihrer sozioökonomischen Ressourcen erklärt werden?
- Wie gehen die Paare mit dem Widerspruch um, dass sie zwar egalitäre Vorstellungen haben, die Alltagspraxis aber zunehmend durch Traditionalisierung gekennzeichnet ist?
Inhaltliches und methodisches Vorgehen
Bei der Studie handelt es sich um eine Längsschnittbefragung von 14 jungen Paaren beim Übergang zur Elternschaft. Diese Paare wurden zum ersten Mal im Frühsommer 2006 in der Schwangerschaft zu ihrer aktuellen beruflichen und privaten Situation, zu vorausgegangenen Entwicklungen seit der Paargründung sowie zu ihren Plänen und Wünschen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Berufstätigkeit, Haushaltsarbeit und die Kinderbetreuung befragt. Etwa ein halbes Jahr nach der Geburt ihres ersten Kindes wurden die Paare im Juni 2007 erneut zu diesen Themen befragt, mit dem zusätzlichen Schwerpunkt darauf, ob sie ihre Vorstellungen und Wünsche der Alltagsgestaltung bei der Hausarbeit, der Kinderbetreuung, und hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verwirklichen konnten, welche unterstützenden oder hinderlichen Rahmenbedingungen dabei relevant waren, und wie die jungen Väter und Mütter ihre derzeitige Situation subjektiv erleben.
Erste ausgewählte Eindrücke aus der Studie
Während vor der Geburt des ersten Kindes beide Partner berufstätig sind und sich die Hausarbeit tendenziell eher partnerschaftlich aufteilen, verschieben sich diese Muster bei den meisten unserer untersuchten Paare nach der Geburt des ersten Kindes deutlich. Die Auswertungen der qualitativen Interviews zeigen, dass sich die Paare nach der Geburt des ersten Kindes die Arbeiten eher traditionell aufteilen. Die Männer konzentrierten sich verstärkt auf die Erwerbstätigkeit und die Frauen auf die Hausarbeit und Kinderbetreuung. Dabei ist es interessant zu sehen, dass diese Entwicklungen in der Regel von den befragten Paaren bereits vor der Geburt antizipiert wurden. In den meisten Fällen schätzen sowohl Männer, als auch Frauen die beruflichen und privaten Konsequenzen des Übergangs zur Elternschaft recht gut ein. Nur wenigen Paaren gelingt es offenbar, an einem partnerschaftlichen Arbeitsteilungsmodell festzuhalten, und den Traditionalisierungstendenzen zu widerstehen. nach oben