Familieneinkommen und materielle Wohlfahrt

Estimating equivalence scales from satisfaction data with endogenous household size and mismeasured income

Relevanz und Zielsetzung

Um wie viel müsste das Haushaltseinkommen steigen, damit das materielle Wohlergehen aller Haushaltsmitglieder gleich bleibt, wenn eine weitere Person zum Haushalt hinzukommt? Diese Frage beantworten Äquivalenzskalen. Sie werden verwendet, um aus Haushaltseinkommen Äquivalenzeinkommen zu berechnen, die das materielle Wohlergehen der Haushaltsmitglieder widerspiegeln sollen, und damit die Grundlage für Armuts- und Ungleichheitsanalysen bilden. In diesem Projekt wird ein neues Verfahren zur Berechnung von Äquivalenzskalen angewendet. Praktische Relevanz haben die Ergebnisse des Projekts für die Abschätzung der Einkommensbedarfe, bzw. das materielle Wohlergehen von Haushalten unterschiedlicher Größe und Struktur, also Familien mit unterschiedlich vielen und unterschiedlich alten Kindern, Familien mit einem oder zwei Elternteilen oder Familien nach dem Auszug der Kinder.

Hintergrund

Für Analysen der Wohlfahrt in einer Gesellschaft wird in der Regel das Äquivalenzeinkommen verwendet, da es erlaubt, Haushalte unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung im Hinblick auf die Wohlfahrt, die das Haushaltseinkommen jedem einzelnen Haushaltsmitglied ermöglicht, vergleichbar zu machen. Es ist klar, dass in Mehrpersonenhaushalten (z.B. Familien) Güter des täglichen Bedarfs geteilt werden können, und so Skalenerträge (Größenvorteile) anfallen. Wie groß diese Skalenerträge im Durchschnitt sind, ist hingegen weniger klar. Je nachdem, ob größere oder kleinere Skalenerträge mit der Anwendung der Äquivalenzskala angenommen werden, erscheinen in Analysen eher Alleinlebende (oft Rentner und Rentnerinnen) oder aber Personen in größeren Haushalten (oft Kinder) als z.B. armutsgefährdet. Insbesondere für die Analyse der individuellen ökonomischen Wohlfahrt im Familienkontext, mit unterschiedlicher und variierender Haushaltszusammensetzung, hat die gewählte Äquivalenzskala also mitunter erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse.

Der jüngste, gleichwohl schon etablierte Zweig, der sich mit der Schätzung von Äquivalenzskalen beschäftigt, nutzt Daten zu Einkommen, Haushaltszusammensetzung und Zufriedenheit, um zu ermitteln wie Einkommen und Haushaltsgröße das materielle Wohlergehen beeinflussen. Aus solchen Schätzergebnissen kann dann der Faktor ermittelt werden, um den das Einkommen steigen müsste, damit die Wohlfahrt der anderen Familienmitglieder nicht sinkt, wenn eine weitere Person im Haushalt lebt, z.B. wenn ein Kind geboren wird, oder um wieviel das Einkommen geringer sein kann, ohne das Wohlfahrtseinbußen drohen, wenn ein Erwachsener den Haushalt verlässt. In diesen Forschungsstrang reiht sich dieses Projekt ein. Es schließt darüber hinaus auch an jüngere Forschungen an, die analysieren, welchen Einfluss subjektive Zufriedenheit auf objektive Merkmale hat. Neuere Forschungen zeigten bisher, dass Zufriedenheit einen positiven Effekt auf Erwerbseinkommen hat und einen positiven Effekt auf das im Survey genannte Haushaltseinkommen. Darüber hinaus ist bekannt, dass Lebenszufriedenheit einen positiven Effekt auf die Fertilität und auch auf Eheschließungen hat.

Methodisches Vorgehen

Bisher wurde bei der Ermittlung von Äquivalenzskalen aus Zufriedenheitsdaten angenommen, dass Haushaltsgrößen- und Einkommensänderungen die Einkommenszufriedenheit beeinflussen, aber selbst von ihr unbeeinflusst sind. Dieses Projekt geht über den bisherigen Forschungsstand der Äquivalenzskalenschätzung hinaus, indem es in einem bekannten Modellrahmen eine neue Methode anwendet, um adäquat zu berücksichtigen, dass Einkommens- und Haushaltsgrößenänderungen nicht unabhängig von der Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen sind. So werden für Einkommen und Haushaltsgröße nicht direkt die Werte verwendet, die von den Befragten angegeben wurden, sondern beide Merkmale werden nach einer Methode des Ökonometrikers Arthur Lewbel instrumentiert. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Einkommen und auch Haushaltsgröße selbst von der Einkommenszufriedenheit beeinflusst sein könnten.  

Verwendet werden alle verfügbaren Wellen des Sozio-oekonomischen Panels (v36), also Daten von 1984 bis 2019. Die Analyse ist beschränkt auf Haushalte mit einem oder zwei Erwachsenen, die miteinander in einer Partnerschaft leben. Es sind sowohl Haushalte enthalten mit Kindern, als auch solche ohne Kinder.

Bisherige Ergebnisse

Erste Schätzungen des Effekts von Einkommen und Anzahl der Personen und Anzahl der Kinder im Haushalt auf die Einkommenszufriedenheit liefern bereits mehrere interessante Ergebnisse. Zum einen zeigt sich, dass wie erwartet Einkommen, Haushaltsgröße und -zusammensetzung und Einkommenszufriedenheit komplex voneinander abhängen. Daraus folgt für die Forschung, dass für entsprechende Analysen spezielle Verfahren angewendet werden sollten, die diese komplexen Zusammenhänge adäquat berücksichtigen können.

Auf inhaltlicher Ebene zeigt sich zweierlei. Erstens: Der Effekt, den das Einkommen auf die Einkommenszufriedenheit hat, ist größer als die Assoziation zwischen beiden Merkmalen vermuten lässt. Auch der Effekt der Haushaltsgröße bzw. der Kinderzahl ist betraglich größer als die Assoziation in der Schätzung, die die komplexen Zusammenhänge weniger gut berücksichtigen kann, vermuten lässt. Beides zusammen beeinflusst den berechneten finanziellen Mehrbedarf für zusätzliche Haushaltsmitglieder, der sich im Ergebnis unserer ersten Schätzungen als niedriger darstellt als erwartet.

Wissenstransfer

Erste Ergebnisse wurden auf der virtuellen Jahrestagung der International Society for Quality of Life Studies im August 2021 und bei der Annual Conference of Applied Econometrics im Juni 2022 in London, UK, präsentiert und diskutiert.

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Teaser Familieneinkommen
Projektinfo

Eigenprojekt in Kooperation mit Dr. Melanie Borah (OvGU Magdeburg)

Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales

Laufzeit: 01/2021 bis 12/2022

Projektleitung: Dr. Susanne Elsas