Zuweisung einer Ehewohnung bei Getrenntleben
Ausgangspunkt des Projektes ist die Diskussion um den § 1361b BGB, der es bei Vorliegen einer schweren Härte erlaubt, die eheliche Wohnung einem Ehegatten allein zuzuweisen. Dabei liegt die Beweislast beim Antragsteller, also demjenigen, für den das Zusammenleben in der Ehewohnung eine schwere Härte darstellt. Die Eingriffsschwelle nach § 1361b BGB ist relativ hoch angesetzt, um Mißbrauch vorzubeugen.
Gegenstand der Untersuchung
Im Rahmen der Diskussion um den Paragraphen lassen sich zwei argumentative Positionen ausmachen: Die Vertreter der einen Position stehen auf dem Standpunkt, daß der § 1361b BGB in der gegenwärtigen Form beibehalten werden solle, da er einerseits dem verfassungsmäßigen Schutz von Ehe und Familie gerecht werde und Mißbrauch verhindere, andererseits das Individuum vor psychischer und physischer Gewalt ausreichend schütze. Die Vertreter der Gegenposition sind hingegen der Auffassung, der Paragraph müsse neu gefaßt werden, weil der Rechtsbegriff ‘schwere Härte’ zu unbestimmt sei und die Beweislast bei derjenigen Person liege, die sich mißhandelt fühle. Zudem machen die Kritiker darauf aufmerksam, daß der Rechtsbegriff ,Kindeswohl’ nicht im Gesetzestext enthalten ist und damit die Berufung auf diesen Rechtsbegriff keine schwere Härte begründen kann. Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, Grundlagen zur Abschätzung des Handlungsbedarfs hinsichtlich einer Gesetzesänderung des Paragraphen 1361b BGB zu ermitteln. Durch die Bereitstellung wissenschaftlich fundierter, objektiver Daten soll aufgezeigt und analysiert werden, ob die Anspruchsvoraussetzung der schweren Härte konkret genug gefaßt ist. Weiterhin bedarf es einer Klärung, ob Beweiserleichterungen geschaffen und/oder der Begriff des Kindeswohls in den Wortlaut des Paragraphen 1361b BGB mit aufgenommen werden soll.
Es werden Inhaltsanalysen von Gerichtsakten sowie Befragungen von Antragstellern und Rechtsexperten durchgeführt:
- In ausgewählten Amts- und Oberlandesgerichten werden Grobanalysen der einschlägigen Gerichtsakten durchgeführt. Die Grobanalyse beinhaltet das Antragsvolumen, die Beschlußfassung, die Tatbestände der ,schweren Härte’, das ,Kindeswohl’ als Antragsargument sowie die Beweisführung.
- Aufbauend auf dieser Analyse sind zusätzliche Feinanalysen ausgewählter Akten vorgesehen, die weitergehenden Aufschluß über die in der Grobanalyse erhobenen Daten erbringen sollen. Vor allem sind Erkenntnisse über den Zusammenhang eines Verfahrens nach § 1361b BGB mit anderen Verfahren wie z.B. einem Scheidungsverfahren und über die soziodemographischen und -ökonomischen Bedingungen der Antragsteller von Interesse.
- Durch die Expertenbefragung soll feststellt werden, wie RichterInnen, AnwältInnen und MitarbeiterInnen in Betreuungs- und Beratungsstellen den § 1361b BGB bewerten. Aufschluß soll darüber gewonnen werden, ob eine Neufassung des Gesetzes für notwendig erachtet wird. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, ob es zwischen den einzelnen Diensten Unterschiede in der Beurteilung gibt.
Die bisher genannten Erhebungsverfahren beziehen sich notwendigerweise auf einen bestimmten Realitätsausschnitt, der entweder über die Akten oder über die spezifische Sicht von Experten, die in unterschiedlicher Weise professionell mit dem Problem befaßt sind, vermittelt wird. Es ist deshalb sinnvoll, eine qualitative Betroffenenbefragung (Antragsteller) durchzuführen. Sie soll einerseits Vergleichsergebnisse zu der Expertenbefragung bieten, andererseits Erkenntnisse über die Genese, den Ablauf und die Folgen des Verfahrens für die Lebenssituation (wenn möglich) beider Ehepartner und der Kinder erbringen. nach oben