Evaluation der Erziehungshilfe "Freiheit in Grenzen"

Im Rahmen der vorliegenden Studie sollte geprüft werden, ob und wie sich das Erziehungskonzept "Freiheit in Grenzen” auf die elterlichen Erziehungskompetenzen auswirkt und welche Rolle dabei der Form des Angebotes zukommt.

Gegenstand der Untersuchung

Erziehungsratgeber haben Konjunktur und das Angebot reicht vom Fachbuch bis zur Fernsehsendung. Die hohen Einschaltquoten letzterer belegen einmal mehr den Bedarf an niedrigschwelligen Informationen. Um diesem Bedarf wissenschaftlich fundiert, aber doch in Form eines attraktiven Angebots gerecht zu werden, entwickelte Prof. Schneewind auf der Grundlage seines Erziehungskonzepts "Freiheit in Grenzen” eine gleichnamige interaktive CDROM für Eltern von Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren. Den Schwerpunkt dieser CD bilden kurze Videofilme zu ganz typischen und alltäglichen Erziehungssituationen. Diese werden zunächst anhand einer kurzen Videosequenz dargestellt. Anschließend können sich die Eltern aus drei gespielten Reaktionsmöglichkeiten eine auswählen und sich die Interaktion zwischen Eltern und Kind(ern), die sich daraus ergibt, betrachten. Das gewählte Erziehungsverhalten wird im Anschluss von einem Sprecher kommentiert und es wird erläutert, was Kinder aus dem einen oder anderen Verhalten lernen. Die CD bietet Eltern die Möglichkeit, sich mit dem Thema Erziehung ganz im Privaten auseinanderzusetzen. Sie ist kostengünstig und weist daher mehrere Merkmale eines niedrigschwelligen Angebotes auf.

Projektziel und Studiendesign

Für die Studie wurde ein so genanntes experimentelles Design gewählt und die teilnehmenden Väter und Mütter mit Kindern zwischen 6 und 12 Jahren wurden in drei gleich große Gruppen von Eltern eingeteilt:

  • eine, die sich mit der CD-ROM "Freiheit in Grenzen” beschäftigten sollte ( CD-Gruppe ),
  • eine weitere, der ein komprimierter Erziehungsratgeber zur Lektüre gegeben wurde ( Ratgeber-Gruppe ) und
  • eine dritte, in der die Eltern erst nach Abschluss der Datenerhebungen bei den anderen beiden Gruppen die CD-ROM zur Bearbeitung erhielt ( Warte-Kontroll-Gruppe ).

Alle interessierten Familien durchliefen zunächst eine telefonische Eingangsuntersuchung. Im Anschluss an diese Befragung erhielten die Eltern die CDROM beziehungsweise den schriftlichen Elternratgeber, eine Gruppe bekam wie erwähnt zunächst keine Elternhilfe. Nach sechs und acht Wochen wurden alle Eltern dann ein zweites Mal befragt und nach rund vier Monaten ein drittes Mal. Die Interviews wurden mit einem eigens dafür erstellten Fragebogen durchgeführt, in den jedoch erprobte Messinstrumente aufgenommen wurden. Die Fragen behandelten verschiedene Bereiche rund um Familie und Erziehung wie Aufgabenteilung in Bezug auf Erwerbstätigkeit, Haushalt und Kindererziehung, Kenntnis und Nutzung familienbildender Angebote. Einen zentralen Baustein bildete die Erfassung und Veränderungsmessung von kindbezogenen Merkmalen wie emotionalen Probleme, sozialem Verhalten, Verhaltensproblemen. Weiterhin sollten die Eltern die Nützlichkeit der CD beziehungsweise des Ratgebers beurteilen.

Die zentrale Hypothese der Studie lautet, dass Eltern, die das Programm "Freiheit in Grenzen” anhand der interaktiven CD-ROM durcharbeiten, davon profitieren, und zwar in einem stärkeren Ausmaß, als dies bei den Nutzer(inne)n anderer Medien der Fall ist.

An der Eingangsbefragung nahmen insgesamt 133 Elternpaare, also 266 Eltern teil. Im Laufe der Studie reduzierte sich Teilnehmerzahl auf 121 Mütter und 118 Väter. Die teilnehmenden Eltern wiesen einen sowohl hohen schulischen als auch beruflichen Bildungsstand auf, sie waren fast ausschließlich verheiratet (96 Prozent) und beide leibliche Elternteile des Kindes.

Ausgewählte Ergebnisse

Unterschiede zwischen den Müttern der drei Gruppen haben sich weder in den kind-, eltern- noch in den familienbezogenen Merkmalen ergeben. Innerhalb der Gruppen zeigen sich jedoch einige positive Entwicklungen im Zeitverlauf: Bei Müttern der CD-Gruppe nehmen Ablehnung und Bestrafung im Erziehungsverhalten wie auch der Erziehungsstress ab, die Verbundenheit in der Partnerschaft und Verbundenheit mit der Familie dagegen nehmen zu. Für die Mütter der Ratgeber-Gruppe ergeben sich im Untersuchungsverlauf ebenfalls positive Entwicklungsverläufe: Sie erleben im Schnitt weniger emotionale Probleme ihres Kindes, Ablehnung und Bestrafung werden reduziert, das Gefühl der Selbstwirksamkeit in der Erzieherrolle wird gestärkt und der Familienstress nimmt ab.

Auch für die Mütter der Warte-Kontroll-Gruppe zeigten sich, allerdings unerwartet, positive Veränderungen: Diese Mütter entwickeln eine stärker ausgeprägte autoritative Erziehungseinstellung, fühlen mehr Selbstwirksamkeit bei der Erziehung und berichten über ein sinkendes Familienstressniveau. Für die Vätergruppen sind drei bedeutsame Ergebnisse zu berichten: So verringern Väter der CD-Gruppe stärker ihre permissive Haltung gegenüber ihrem Kind als die Väter der Ratgebergruppe. Das heißt sie reduzieren im zeitlichen Verlauf inkonsequentes Erziehungsverhalten. Bemerkenswerterweise zeigt sich – entgegen den Annahmen – dass vor allem bei Vätern der Ratgeber-Gruppe im Vergleich zu den Vätern der CD-Gruppe der Stress in der Elternrolle und auf der Paarebene abnimmt.

Weiterhin beurteilen Väter der CD-Gruppe mit Dauer der Studie das Verhalten ihres Kindes als weniger problematisch und berichten von weniger emotionalen Problemen des Kindes. Sie nehmen sich selbst als kompetenter in der Erziehung wahr, kontrollieren und überbehüten ihre Kinder weniger, sind zufriedener in ihrer Elternrolle und sind weniger durch das Familienleben gestresst. Für die Väter der Ratgeber-Gruppe zeigt sich eine Reduzierung des Stressniveaus in allen familialen Beziehungen. Auch in der Warte-Kontroll-Gruppe ergibt sich – ohne Elternhilfe – ein positiver Veränderungseffekt, da auch hier der Stress im Familienkontext abnimmt.

Die subjektive Einschätzung der Eltern zeigte, dass sie mit beiden Erziehungshilfen weitgehend zufrieden waren und diese auch weiterempfehlen würden. Die Beispiele werden überwiegend als realitätsnah und hilfreich erachtet. Der Ratgeber wird dabei etwas häufiger zur Hand genommen als die CD, diese wird andererseits von den Eltern häufiger gemeinsam genutzt. Dies wiederum wirkt sich förderlich auf die Paarkommunikation und auf die Elternallianz aus. nach oben

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Projektinfo

Eigenprojekt, Kooperation mit dem IFP und der LMU München, Lehrstuhl Prof. Schneewind

Laufzeit: 7/2006 bis 4/2008

Projektleitung: Dr. Marina Rupp

Projektbearbeitung: Dipl.-Psych. Pia Bergold

 

Veröffentlichungen

Pia Bergold, Marina Rupp, Klaus A. Schneewind & Monika Wertfein: Wirksamkeit der CD-ROM "Freiheit in Grenzen" zur Stärkung von Elternkompetenz – eine kontrollierte Vergleichsstudie. Bamberg: Staatsinstitut für Familienforschung, ifb-Materialien 2-2009.