Unter anderen Umständen schwanger
Im Frühjahr 2005 gründeten die drei Verbände Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung – Landesverband Bayern e.V., Landesverband Bayern für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. und DONUM VITAE Bayern e.V. gemeinsam das Praxisprojekt "Unter anderen Umständen schwanger". Das Projekt wurde für drei Jahre von der Aktion Mensch unterstützt und setzte sich zum Ziel, die psychosoziale Beratung während der Schwangerschaft und nach der Geburt zu verbessern. Insbesondere beabsichtigte dieses Pilotprojekt ein unterstützendes Netzwerk für Eltern und Familien zu knüpfen, die ein Kind mit Behinderung erwarten oder nach der Geburt eines behinderten Kindes eine weitere Schwangerschaft planen. Eine Fortsetzung und Vertiefung des Projektes wird nun in einer zweiten Modellphase durch die Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gefördert.
Fragestellung und Zielsetzung des Projekts
Durch das Angebot psychosozialer Beratung vor, während und nach pränataldiagnostischen Untersuchungen soll die Entscheidungskompetenz von schwangeren Frauen und Paaren gestärkt werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzt(inn)en, Kliniken, Frühförderstellen und Beratungsstellen trägt dazu bei, das Angebot psychosozialer Beratung zu verbessern und kooperative Netzwerke zu stärken.
Die Grundlage des Praxismodellprojektes "Unter anderen Umständen schwanger" bilden vor allem folgende Bereiche:
- Förderung des interdisziplinären Austausches – insbesondere zwischen Beratungs- und Frühförderstellen – z.B. durch Hospitationen, berufsübergreifende Fortbildungen etc.;
- Weiterentwicklung des Angebotes an psychosozialer Beratung entlang konkreter Praxiserfahrungen von Beraterinnen und Mitarbeiterinnen der Behindertenhilfe und der Frühförderstellen;
- Aufbau eines zuverlässigen Unterstützungsnetzwerkes, welches vor, während und nach einer Schwangerschaft Eltern, welche ein behindertes Kind erwarten oder mit einem behinderten Kind leben, begleitet und unterstützt;
- Nutzung der Erfahrung betroffener Eltern.
Methodisches Vorgehen
Die Umsetzung dieses Vorhabens erfolgt über verschiedene Bausteine:
- Kooperation mit der Behindertenhilfe und den Frühförderstellen
- Hospitationen der Beraterinnen bei niedergelassenen Gynäkologen und in Kliniken sowie dort ansetzende Kooperationsarbeit
- Gestaltung und Förderung interdisziplinärer Fortbildungsangebote
- Gründung von Qualitätszirkeln für die interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Einbindung von Elternerfahrungen
- Entwicklung von Standards zur Dokumentation und Prozessgestaltung
Die Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitung sind:
1. Erfassung der bestehenden Kooperationsstrukturen
2. Skizzierung des bisherigen Projektverlaufes:
- Auswertung der bereits vom Projekt erfassten Dokumentationsdaten zu den Beratungen
- Auswertung der bereits vorhandenen Rückmeldebögen zur Entwicklung der Beratungsfachkräfte während des Projektverlaufes
- Interview mit der Projektleitung zum bisherigen Projektverlauf
3. Dokumentation der weiteren Entwicklungen
- Die wissenschaftliche Begleitung wird an den Arbeitskreistreffen und Qualitätszirkeln aktiv teilnehmen und diese unterstützen.
- Die Anzahl und Gestaltung der psychosozialen Beratungen bei pränataler Diagnostik wird an allen Donum Vitae Beratungsstellen in Bayern mit Hilfe von hierfür entwickelten Erhebungsinstrumenten dokumentiert.
- Die Entwicklung von Qualitätsstandards wird begleitend unterstützt und dokumentiert.
4. Durchführung einer qualitativen Expertenbefragung:
Um die langfristige Implementierung des psychosozialen Beratungsangebotes bayernweit zu unterstützen, wird eine Expertenbefragung zu Themen der Beratungs- und Kooperationsarbeit durchgeführt. In Form einer qualitativen Erhebung sollen mit erfahrenen Beraterinnen der Beratungsstellen und Mitarbeiterinnen der kooperierenden Frühförderstellen und Behindertenverbänden leitfadengestützte Interviews geführt werden.
5. Durchführung einer Betroffenenbefragung:
Da das Erleben von betroffenen Eltern für die Annahme des Angebotes psychosozialer Beratung von besonders großer Bedeutung ist, sollen auch die betroffenen Eltern befragt werden. Zum einen sollen die Beratungserfahrungen der betroffenen Frauen und Männer über spezielle Beratungsrückmeldebögen erfasst werden, zum anderen sind mit einer kleineren Anzahl der Betroffenen Gespräche geplant, in welchen die Frauen und Paare ihre Situation beschreiben können. Diese Gespräche müssen aufgrund der empfindlichen Situation der Betroffenen sehr achtsam gestaltet werden und sollen nur von einer pädagogisch/psychologisch geschulten Fachkraft durchgeführt werden.
Nach Auswertung aller Daten soll die Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven - Erfahrungen der Beraterinnen, Erfahrungen der Mitarbeiterinnen der Frühförderstellen und Erfahrungen der Betroffenen - eine Einschätzung der Wirksamkeit der Modellmaßnahme ermöglichen. Weiterhin sollen Kriterien für die Übertragbarkeit gelungener Projektmaßnahmen erarbeitet und gezielt veröffentlicht werden. nach oben