Wissenschaftliche Begleitung des SARA-Projektes - Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch
Das Modellprojekt „Psychosoziale Beratung bei Kinderwunsch“ nimmt sich des Themas „ungewollte Kinderlosigkeit“ an. Es ist als ein Kooperationsprojekt zwischen der staatlich anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen DONUM VITAE Amberg und dem Kinderwunschzentrum St. Marien Amberg konzipiert und will ein umfassendes und interdisziplinäres Beratungs- und Unterstützungsangebot für Frauen und Männer mit Kinderwunsch entwickeln.
Gegenstand der Untersuchung
Die Gründung einer eigenen Familie gehört für viele Menschen selbstverständlich zu ihrer Lebensplanung. Deshalb ist die Bestürzung groß, wenn im Verlauf der Familienplanung Fruchtbarkeitsprobleme auftreten. In Deutschland ist ca. jedes zehnte Paar von Infertilitätserscheinungen betroffen. Dabei liegen die Ursachen von Fruchtbarkeitsproblemen entweder in organischen Störungen und Fehlfunktionen oder gründen in einer altersbedingten Abnahme der Fertilität. Durch verlängerte Ausbildungszeiten und eine häufig erst relativ spät stattfindende Partnerbindung verschiebt sich der Zeitraum, in dem Paare ihre Familiengründung planen, immer häufiger in einen Altersabschnitt, in dem die natürliche Fertilität bereits eingeschränkt ist.
Viele Paare mit unerfülltem Kinderwunsch nutzen Angebote der modernen Reproduktionsmedizin und hoffen, dass eine medizinische Behandlung zu einer stabilen Schwangerschaft und zur Geburt eines Kindes führt. Häufig bedarf es dabei mehrerer medizinischer Eingriffe, da die Erfolgschancen nicht groß sind. Im Verlauf (erfolgloser) medizinischer Kinderwunschbehandlungen können emotionale Notlagen im Erleben der Frauen und Männer auftreten. Hinzu kommt, dass die Betroffenen ihre Belastungen oft nicht kommunikativ verarbeiten können, da Fruchtbarkeitsstörungen und die Inanspruchnahme von Kinderwunschbehandlungen in den privaten sozialen Netzwerken in der Regel eher tabuisiert sind und nicht offen angesprochen werden.
Zielsetzung und methodisches Vorgehen
Das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb) hat im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration die wissenschaftliche Begleitung des Projektes übernommen. Für die Projektevaluation wurden sowohl quantitative als auch qualitative Erhebungsmethoden angewandt. Am Kinderwunschzentrum wurden zwischen Oktober 2010 und Juli 2013 alle Erstpatientinnen gebeten, einen Fragebogen zu ihren bisherigen Erfahrungen im Umgang mit dem Kinderwunsch auszufüllen. Außerdem dokumentierten die Beratungsfachkräfte über einen Zeitraum von drei Jahren alle Paar- und Einzelberatungen sowie Gruppenangebote zum Thema Kinderwunsch an der beteiligten Beratungsstelle. Ergänzt wurden diese Erhebungen durch qualitative Interviews mit verschiedenen Personengruppen, die im Kontext des unerfüllten Kinderwunsches von besonderer Bedeutung sind. Dabei wurden zum einen Experten aus der Reproduktionsmedizin befragt. Zum anderen wurden Paare gebeten, über den persönlichen Umgang mit ihrem Kinderwunsch und ihren Erfahrungen mit der Reproduktionsmedizin zu berichten. Ferner wurden auch Eltern befragt, die sich für die Adoption eines Kindes entschieden haben, so dass auch Entscheidungswege, die eine Alternative zur medizinischen Kinderwunschbehandlung darstellen, erfasst werden konnten.
Projektverlauf
Alle geplanten Erhebungen konnten im vorgesehenen Zeitraum abgeschlossen werden. Aus den erhobenen Daten wird deutlich, dass ein psychosoziales Angebot bei Kinderwunsch von allen beteiligten Fachkräften positiv bewertet wird.
In den Expertengesprächen mit den Fachkräften der Reproduktionsmedizin (n = 7) beschreiben alle Befragten, dass sich Paare während einer Kinderwunschbehandlung in einer Ausnahmesituation befinden und die Zusammenarbeit mit einer psychosozialen Beratungsstelle zu begrüßen ist.
Die Dokumentation am Kinderwunschzentrum (n = 276) zeigt, dass das durchschnittliche Alter der Frauen, welche das Kinderwunschzentrum aufsuchten, bei 32 Jahren lag, wobei mit 23 % fast ein Viertel aller Frauen über 35 Jahre alt war. Knapp 52 % der Frauen waren das erste Mal in einem Kinderwunschzentrum und von den anderen Frauen hatten 72 % bereits in anderen reproduktionsmedizinischen Einrichtungen Kinderwunschbehandlungen in Anspruch genommen. Der Informationsbedarf der Frauen am Kinderwunschzentrum ist groß, denn 75 % der Frauen wünschen sich mehr Information zu drei bis zwölf der in der Grafik dargestellten Themen.
In der Beratungsdokumentation (n = 99) wird deutlich, dass sich die Frauen und Paare, welche eine psychosoziale Beratung in Anspruch nahmen, im Durchschnitt seit drei Jahren mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch auseinandersetzen und der Wunsch nach psychosozialer Unterstützung groß ist. Während der Beratungsgespräche wurde der persönliche Umgang mit Krisensituationen besonders häufig zum Thema, wobei insgesamt betrachtet die Themen in der Beratung breit gestreut sind. Knapp die Hälfte aller Beratungen fanden persönlich statt (49 %), alle anderen Beratungen zu etwa gleichen Anteilen telefonisch und per E-Mail. Das Beratungsangebot wird vorwiegend von Frauen in Anspruch genommen. In nur 15 % der Beratungen handelte es sich um Paarberatungen und die Einzelberatung wurde nur zweimal von einem Mann in Anspruch genommen. Auf das Beratungsangebot hingewiesen wurde die Mehrheit durch eine Fachkraft aus einer medizinischen Einrichtung (Ärztinnen, Ärzte, Arzthelferinnen). Die Beratungsrückmeldungen (n = 23) weisen darauf hin, dass das Beratungsangebot sehr positiv erlebt wird. Alle Frauen gaben an, dass die Beratung sowohl emotional stärkend als auch hilfreich war und ihre Erwartungen erfüllt wurden. Alle würden das Beratungsangebot anderen Betroffenen empfehlen. nach oben