Gleichgeschlechtliche Lebensweisen in Deutschland
Folgestudie der vom Bundesministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung gleichgeschlechtlicher Paar mit Kindern.
Fragestellung und Zielsetzung des Projekts
Gleichgeschlechtliche Paare und Familien standen – insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland – zwar gelegentlich im Fokus der Sozialforschung, doch der Informationsstand ist noch immer unbefriedigend. Eine Untersuchung gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern, vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegeben, wurde vom ifb in Kooperation mit dem IFP durchgeführt. Die Studienergebnisse für gleichgeschlechtliche Paare, die mit Kindern zusammenleben, liegen nun vor.
In dieser Folgestudie werden nun die Lebensumstände und Wünsche von den bislang nicht berücksichtigten Gruppen erforscht. Sie wendet sich somit an gleichgeschlechtlich orientierte Personen ohne Kinder, an lesbische und schwule Eltern, deren Kind(er) außerhalb des Haushaltes aufwachsen und an alleinerziehende lesbische und schwule Eltern mit Kind(er) im Haushalt. Ein weiterer Grund für die Fortsetzung der Arbeiten ist, dass sich bei der Befassung mit der Thematik weitere wichtige Fragestellungen ergeben haben. Dabei geht es im Wesentlichen um folgende inhaltlichen Teilbereiche:
- Die Beschreibung und Analyse der Arbeitsteilung bei gleichgeschlechtlichen Paaren im Hinblick auf die Übernahme von geschlechtsrollenspezifischen Aufgaben und deren Bedeutung für die theoretischen Paradigmen der Aufgabenteilung.
- Die Untersuchung der Ausgestaltung und Wahrnehmung der Elternrollen in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften (Umfang und Aufteilung der Tätigkeiten).
- Kinderwunsch und Realisierungsvorstellungen bei gleichgeschlechtlichen Paaren und Singles.
Projektdesign
Methodisch handelt es sich bei diesem Forschungsvorhaben um die Durchführung verschiedener Primärerhebungen, auf der Basis eines erstmaligen repräsentativen Zugangs zu Eingetragenen Lebenspartnerschaften sowie eines vorhandenen breit angelegten Zugangs zu nicht-eingetragenen gleichgeschlechtlichen Personen. Dabei können unter Einbeziehung der Daten, die in der bereits durchgeführten Studie gewonnen wurden, verschiedene Teilstichproben untersucht werden:
- Kinderlose Lebenspartnerschaften, Lebensgemeinschaften, Paare und Singles;
- Lebenspartnerschaften, Lebensgemeinschaften, Paare und Singles mit Kindern, die nicht mit ihnen zusammenleben, sowie
- Alleinerziehende Lesben und Schwule (mit und ohne externe Partnerschaft).
Zudem wird in dieser Studie ein Methodentest durchgeführt, indem Unterschiede zwischen CATI-Befragungen und Online-Erhebungen systematisch überprüft werden.
Die Folgestudie soll das Potenzial, das durch die bereits laufende BMJ-Untersuchung erschlossen wurde, nutzen und – basierend auf einem theoretisch fundierten Konzept – vertiefende Fragestellungen bearbeiten.
Stand der Arbeiten
Die erreichte Stichprobengröße beträgt nach Bereinigung 1.697 Personen, darunter sind 932 Männer (55 %) und 765 Frauen. Der Großteil der Befragten (79 %) besitzt eine(n) Partner(in), 60 % leben mit ihm/ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Majorität der Befragten der Zusatzstudie ist kinderlos (93 %). 35 % haben eine Eingetragene Lebenspartnerschaft begründet.
Bezüglich des Kinderwunsches von gleichgeschlechtlich orientierten Personen liegen erste Auswertungen im Rahmen einer Diplomarbeit vor. Für diese Abschlussarbeit wurde ein Teil der kinderlosen homosexuellen Männer hinsichtlich ihrer Elternschaftsvorstellungen untersucht. Gut ein Drittel dieser Männer äußerte konkret einen Kinderwunsch. Insbesondere die jüngeren Befragten bis 29 Jahre haben einen ausgeprägten Kinderwunsch; mehr als die Hälfte von ihnen möchte Vater werden. Homosexuelle Männer scheinen einen generellen, unspezifischen Kinderwunsch zu haben, der zunächst unabhängig von äußeren Einflüssen besteht. Der konkrete Kinderwunsch wird beeinflusst vom Einkommen und der Bildung, insbesondere aber von der Bedeutung einzelner Lebensbereiche. Die befragten Männer nennen eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten zur Realisierung ihres Kinderwunsches und haben konkrete Vorstellungen zur Ausgestaltung ihrer Elternrolle.
Das Thema Kinderwunsch und dessen Realisierung bei homosexuellen Frauen und Männern wird im Rahmen eines Dissertationsprojektes weiter bearbeitet werden.
Des Weiteren liegen Ergebnisse zum Thema „Arbeitsteilung bei gleichgeschlechtlichen Paaren“ vor. Erste Auswertungen zu lesbischen Paaren mit leiblichen Kindern konnten zeigen, dass Haushaltstätigkeiten und Kinderbetreuung sehr egalitär zwischen beiden Partnerinnen aufgeteilt werden. Lediglich im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes ist ein etwas größeres Engagement der leiblichen Mutter im Familienbereich zu verzeichnen. Die Partnerin, die das Kind ausgetragen hat, reduziert nach der Familiengründung meist ihre Erwerbstätigkeit oder steigt ganz aus dem Arbeitsmarkt aus, um sich verstärkt der Kleinkindbetreuung zu widmen. Nach zirka 12 Monaten erhöht sie ihre wöchentliche Arbeitszeit sukzessive. Gleichzeitig steigt der Anteil der sozialen Mutter an der Kinderbetreuung an. Der anfängliche „Vorteil“ der leiblichen Mutter, den sie durch die Möglichkeit des Stillens und des Mutterschutzes hat, scheint mit der Zeit an Bedeutung zu verlieren.
Erfreulicherweise finden sich Teilnehmer(innen) aus allen Altersgruppen: Dabei befindet sich etwas mehr als die Hälfte der Befragten im frühen und mittleren Erwachsenenalter, d.h. diese sind 40 Jahre und jünger. Die meisten davon sind zwischen 26 und 30 Jahre alt. Erfreulicherweise konnten auch jüngere Personen gewonnen werden: 38 (3%) sind sogar 20 Jahre oder jünger.
Ein Blick auf die Schulabschlüsse zeigt, dass fast drei Viertel der Befragten Abitur, Fachabitur oder einen vergleichbaren Abschluss besitzen. Knapp ein Fünftel hat einen Realschulabschluss und 6% verfügen über einen Hauptschulabschluss. Der Trend zur höheren Qualifikation setzt sich auch bei den Bildungsabschlüssen fort: Die Hälfte der Teilnehmer(innen) hat einen (Fach-)Hochschulabschluss; nur ein Fünftel hat eine Lehre abgeschlossen. 11% befinden sich noch im Studium. Lediglich 0,9% der Befragten haben keinen Berufsabschluss. Leider sind bisher einfache Bildungsabschlüsse weniger stark vertreten. Die überwiegende Mehrheit (67%) der Teilnehmer(innen) ist erwerbstätig. Insgesamt 16% befinden sich zurzeit noch in einer Ausbildung, dem Studium oder einer Umschulung. Rund ein Zehntel der Personen zum Befragungszeitpunkt ist bereits im Ruhestand - dies entspricht der Altersstruktur. Nur ein sehr kleiner Anteil (1,9%) ist momentan arbeitslos.
Die überwiegende Mehrheit der Befragten (79%) hat zurzeit eine Partnerschaft. Von diesen Befragten, die eine(n) Partner(in) haben, lebt wiederum der Großteil (78%) mit seinem /ihrer Partner(in) in einem gemeinsamen Haushalt. Gut ein Fünftel der Befragten mit Partner(in) wohnt in getrennten Haushalten.
Diese Studie richtet sich an Personen, die NICHT mit einem Kind UND einem Partner im gleichen Haushalt leben. Dies erklärt, weshalb sich überwiegend kinderlose Männer und Frauen (9 von 10) unter den Teilnehmer(inne)n befinden. 12% der Befragten sind Mutter bzw. Vater eines Kindes, wobei es sich bei fast drei Vierteln um leibliche Kinder handelt. Gut ein Fünftel der Befragten sind soziale Elternteile, d.h. ihre Partner(innen) haben eigene Kinder, für die sie sich mit verantwortlich fühlen. 6% gaben an, leiblicher und sozialer Elternteil eines Kindes zu sein. Die Gruppe der Alleinerziehenden macht 16% der Elternteile aus.