Lebensstile in der Familie
Lebensstile bezeichnen persönliche Lebensarrangements, die die Bereiche Familie, Freizeit, Kultur und Lebensorientierung umspannen. Von Lebensstilen spricht man bevorzugt im Hinblick auf die Lebensgestaltung von modernen, gut ausgebildeten jungen Menschen (insbesondere Singles). Was aber ist mit Lebensstilen im Familienkontext? In welchem Umfang variieren die Lebensmuster der Menschen in Abhängigkeit von ihrer Familienform? Wie unterschiedlich sind Lebensstile in Familien verteilt und gehen diese mit unterschiedlichen subjektiven Befindlichkeiten, Wertorientierungen und sozialen Beziehungen einher?
Methodik
Gehen einige Lebensstilforscher von einem einheitlichen Lebensstil "der Familie" aus, so verfolgen andere das Konzept anhand der Betrachtung von Einzelpersonen. Schließlich ist es durchaus möglich, dass die einzelnen Familienmitglieder unterschiedliche Lebensstile aufweisen. Auch hier wird der Lebensstil auf individueller Ebene abgebildet, denn es soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Familienmitglieder ähnliche oder unterschiedliche Stile der Lebensführung präferieren bzw. praktizieren.
Die Datenbasis für dieses Projekt ist zum einen der ALLBUS 1998. Auf dieser Grundlage wurde eine Lebensstiltypologie erstellt und zur Analyse der Haushalts- und Familienformen herangezogen. Zum anderen wurde das Sozio-oekonomische Panel (SOEP 1998) genutzt, um Ähnlichkeiten bzw. Differenzen der Lebensstile von Haushaltsmitgliedern aufzudecken.
Ergebnisse
Wider Erwarten haben nicht unabhängige junge Menschen die größte Vielfalt von Lebensstilen ausgebildet. Vielmehr sind unter den Familien deutlich mehr verschiedene Gestaltungsformen zu finden. Das Familienleben in Deutschland ist also durchaus variantenreicher als andere Lebensformen. Oder anders: wer nicht in einer Familie lebt, wählt typischerweise ganz bestimmte Lebensstile. So sind beispielsweise jüngere Alleinstehende häufig im sogenannten "Unterhaltungstyp" oder im "Selbstverwirklichungstyp" zu finden, ältere Singles dagegen konzentrieren sich auf einen häuslichen Lebensstil oder zählen zu den "aufgeschlossenen Sicherheitsorientierten". Familien dagegen nutzen fast das ganze Spektrum an Varianten, wobei das Alter, also die Lebensphase eine sehr wichtige Rolle spielt: Mit zunehmendem Alter werden anstelle moderner, erlebnis- und selbstverwirklichungsorientierter Formen eher kulturelles Interesse, Harmoniebedürfnis oder auch Zurückgezogenheit in die Privatsphäre bestimmend für die Lebensführung.
Grundsätzlich neigen Familienmitglieder zu gleichen oder doch recht ähnlichen Lebensstilen, so dass hier keine Konfliktherde schwelen. Besonders stark ist die Entsprechung zwischen den Partnern. Bei jedem zweiten Paar – ob mit Familie oder kinderlos – stimmen die Lebensstile überein und nur sehr selten weichen diese stark voneinander ab. Nur etwas geringer ist die Ähnlichkeit der Lebensstile von Eltern und ihren Kindern. Die nächste Generation übernimmt demnach tendenziell den Lebensstil, den die Eltern ihr vorleben. Die Abgrenzungs- und Abnabelungsprozesse sind offenbar nicht so stark, dass sich die Kinder einen eigenen, völlig unterschiedlichen Lebensstil zueigen machen würden. Geschwister untereinander neigen schließlich ebenfalls zu gleichen Lebensstilen.
Verteilung der Lebensstile nach Lebensphasen:
Quelle: ALLBUS 1998, N = 3.183, Ost-West gewichtete Daten.
Praxisbezug
Eine Ausgangsüberlegung des Projekts war, dass unterschiedliche Lebensstile zwischen Partnern zu Konflikten führen könnten. Lebensstile könnten demnach bspw. Auswirkungen auf gemeinsam verbrachte Zeit (Freizeit- und Kulturaktivitäten) oder auf die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern haben und das Alltagsleben der Familien insgesamt entlasten oder belasten. Wie die Ergebnisse zeigen, werden von den Paaren aber ganz überwiegend identische oder sehr ähnliche Lebensstile präferiert, was lebensstilspezifische Konfliktpotenziale ausschließt oder zumindest reduziert. nach oben