Subjektive Einschätzung objektiver Lebensumstände
Die Berichterstattung konzentriert sich typischerweise auf objektive Kennzahlen zur Beschreibung der Lebensumstände (wie Einkommen, Zugang zu Bildung und Kinderbetreuung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung), um u. A. auf das Wohlergehen zu schließen, Bedarfe zu ermitteln und letztlich auch um politische Handlungserfordernisse zu erkennen. Es zeigen sich jedoch immer wieder Abweichungen zwischen objektiv ermittelten und subjektiv eingeschätzten Lebensumständen, z. B. beim Einkommen, das nach einem Sättigungspunkt nicht zu zusätzlichem Wohlergehen führt oder bei der Wohnkostenbelastung, die objektiv gemessen in Haushalten mit nur älteren Kindern geringer ist als in Hausalten mit jüngeren Kindern - subjektiv eingeschätzt jedoch nicht.
Abhängig von z. B. Kenntnissen über bevorstehende Einkommens- oder Vermögensentwicklung, können die gleichen objektiven Einkommens- und Ausgabenverhältnisse unterschiedlich belastend oder zufriedenstellend sein. Personen, die großzügige Erbschaften erwarten, können größere Teile des Einkommens verkonsumieren, während Personen, die in ökonomischer Unsicherheit leben, größere Teile ihres Einkommens zur Vorsorge sparen müssen. Das Wohlergehen ist von solchen Hintergrundinformationen abhängig, die aufwändig zu erfragen und schwierig in Analysen einzubeziehen sind. Wenn diese Informationen den Befragten bekannt sind, sind sie durch die subjektive Einschätzung der objektiven Lebensumstände jedoch auch der empirischen Sozialforschung zugänglich.
Die Analyse subjektiver Einschätzungen objektiver Lebensumstände liefert also grundsätzlich Erkenntnisse über die Wohlfahrt, die ansonsten nur mit größerem Aufwand zugänglich wären. Darüber hinaus können Divergenzen von subjektiver Einschätzung und objektiver Messung aufzeigen, in welchen Bereichen oder für welche Personengruppen wohlfahrtspolitischer Handlungsbedarf besteht, oder wo politische Maßnahmen unbeabsichtigte Folgen haben.
Aktuelle Forschung
Modul 1: Alleinerziehende
In Kooperation mit der World Database of Happiness, die von der Erasmus Happiness Economics Research Organization (EHERO) der Erasmus University Rotterdam betreut wird, wurden weltweit verfügbare Ergebnisse der quantitativen Zufriedenheitsforschung zum Thema „Life Satisfaction of Single Parents“ zusammengetragen und systematisiert. Darauf aufbauend wird eine umfassende Literaturanalyse erarbeitet, die die Erkenntnisse über die Lebenszufriedenheit von Alleinerziehenden zusammenträgt. Dabei werden einerseits Vergleiche zu anderen Lebensformen gezogen, aber andererseits auch Merkmale auf der Mikro-, Meso- und Makroebene, die mit Lebenszufriedenheit der Alleinerziehenden zusammenhängen, erfasst und präsentiert.
Modul 2: Familieneinkommen
In Kooperation mit Dr. Melanie Borah, OVGU Magdeburg
Ein weiteres Beispiel für schwierig zugängliche Informationen über die objektiven Lebensumstände sind die Wohlfahrtsvorteile, die bei der Einkommensverwendung in Mehrpersonenhaushalten realisiert werden. Um diese Skaleneffekte der Haushaltsgröße zu ermitteln, können aus Daten über Zufriedenheit, Einkommen und Haushaltszusammensetzung Äquivalenzskalen geschätzt werden. Dieses Projektmodul nutzt einen bekannten Modellrahmen zur Schätzung von Äquivalenzskalen, und wendet dabei eine innovative Methode an, um adäquat zu berücksichtigen, dass Einkommens- und Haushaltsgrößenänderungen nicht exogen sind. Praktische Relevanz haben die Ergebnisse z.B. für die Abschätzung des Armutsrisikos für verschieden große Familienhaushalte im Vergleich. So zeigt sich, dass der Einkommensbedarf von Kindern tendenziell überschätzt wird, wenn Endogenität in Einkommen und Haushaltszusammensetzung nicht berücksichtigt werden.
Modul 3: Subjektive Wohnkostenbelastung
Ausgehend von dem mit einer referierten Veröffentlichung abgeschlossenen Projekt zur Wohnkostenbelastung von Familien, soll tiefergehend analysiert werden, warum in Haushalten mit älteren Kindern subjektive und objektive Wohnkostenbelastung weiter voneinander abweichen als das für Haushalte ohne, bzw. mit kleineren Kindern der Fall ist. Dafür werden Daten des Sozioökonomischen Panels ausgewertet werden. Diese Analyse dient einerseits zum tieferen Verständnis des Maßes der subjektiven Wohnkostenbelastung, andererseits kann sie möglicherweise familien- und wohnungspolitische Handlungsbedarfe aufzeigen, die bei der Betrachtung der objektiven Wohnkostenbelastung nicht erkennbar werden.
Ausgewählte Veröffentlichung
Elsas, Susanne & Annika Rinklake (2024): Belastung oder Wohlfahrtsvorteil? Die Wohnkostensituation von Familien in Deutschland. Sozialer Fortschritt, 73(5), 393-413. https://doi.org/10.3790/sfo.2024.1438203
Ausgewählte Präsentation
Elsas, Susanne & Borah, Melanie (2024): Estimating equivalence scales from satisfaction data with endogenous income and household size data. Conference Paper prepared for the 38th IARIW General Conference in London (UK) 08/2024.
Bitte kontaktieren Sie bei weiterführendem Interesse an der Forschungsarbeit des ifb die Institutsleitung